Geschichte

Blätz ca. 1900

1938

Gründung

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte die Region Schwyz eine Gründungswelle von Nüsslergesellschaften. Nach Sattel (1900), Ibach und Schwyz (beide 1921) sowie Steinen (1937) wurde 1938 auch die Nüsslergesellschaft Brunnen-Ingenbohl aus der Taufe gehoben – dies nachdem in Brunnen mindestens schon seit dem 19. Jahrhundert der Brauch des Nüsslen praktiziert wurde.

Der Brauch litt unter dem Ersten Weltkrieg und dessen Nachwehen. Erst in den 1930er-Jahren erwachten die Nüssler wieder. Diese Renaissance gipfelte zwar in der erwähnten Gesellschafts-Gründung vom 2. Dezember 1938 im Restaurant Mostrose, war aber nur von kurzer Dauer. Es gehörten nur gerade 16 Mitglieder dem Verein an. 

1939-1945

2. Weltkrieg

Der Zweite Weltkrieg setzte auch der Nüsslergesellschaft arg zu. Man hatte nicht nur Mühe, den Verein zu finanzieren, sondern auch Maschgraden zu rekrutieren. Zum Teil waren während dem Krieg an der Fasnacht nur zwei bis drei Maschgraden auf der Strasse. Kaum mehr vorstellbar, wenn man heute an einem Güdelmontag bis zu über 150 Maschgraden zählt.

Rott 1944 vor dem damaligen Schmidstubli
Rott 1950

1949 – heute

Grosser Aufschwung

Der grosse Aufschwung setzte dann nach dem Krieg ein, als die Mitgliederzahl rasant und stetig zunahm. Bereits 1949 zählte der Verein über hundert Mitglieder. Heute ist die Nüsslergesellschaft mit rund 500 Mitgliedern nicht nur der grösste Fasnachtsverein von Brunnen, sondern zählt auch zu den grössten Vereinen der Region Schwyz.

Die fünfzehn Gründungsmitglieder fanden sich damals zusammen, um gemäss dem Gründungsprotokoll «ein Verein zur Hebung alter Fasnachtsbräuche und Sitten ins Leben zu rufen». Auch heute noch verfolgt die Gesellschaft wie in den Statuten verankert primär nur ein Ziel: Das Nüsslen nach Brunner Art sowie das Fasnachtstreiben in den Strassen, Gassen und Wirtshäusern von Brunnen und Ingenbohl in Form einer farbenprächtigen Maschgradenrott.

Das Nüsslen

In der Region Schwyz lässt sich eine besondere fasnächtliche Eigenheit finden: das Nüsslen. Bei diesem Brauch ziehen bis zu 150 Maschgraden tanzend von Restaurant zu Restaurant, beschenken die Zuschauerinnen und Zuschauer – besonders die «sind-so-guet»-rufenden Kinder – mit Orangen, Zältli und rappigen Chräpfli, treiben Schabernack und intrigieren mit dem Publikum. Zwischendurch tanzen, oder eben nüsslen, die verschiedenen Figuren zum Takt des Narrentanzes, welcher von den Tambouren getrommelt wird. Angeführt wird diese Rott vom Nüsslervater, einer Person, die sich um den Verein sehr verdient gemacht hat.

Woher das Nüsslen seinen Namen hat, ist nicht vollends geklärt. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, dass der Name daher rührt, weil die Maschgraden früher Nüsse verteilt haben sollen und so eine Assoziation zwischen der Gabe und dem Geber entstanden ist.

Dokumente belegen, dass in Brunnen schon im 19. Jahrhundert genüsslet wurde. Wie lange davor, ist hingegen unklar. Der früheste bekannte Beleg des Begriffs «Nüsslen» datiert aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Jahre 1857 wurde das Nüsslen im Gründungsprotokoll der Japanesengesellschaft Schwyz erwähnt. Noch früher, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, beschrieb der Schwyzer Pfarrer Thomas Fassbind (1755 –1824) in seinem Tagebuch wohl eine Art Rott, wie sie in Schwyz unterwegs war:

«Es zogen mehrere Banden von 30 – 40 Personen allweg, Tag und Nacht hin und her unter Trommeln und Lermen bis 2 – 3 Uhr morgens. Nebst dem wilden Geschrey und verschiedenen Ausgelassenheiten und Vorstellungen, wodurch sie alles beunruhigten zogen sie wie rasend von einem Tanzboden zum anderen, wo man ihnen Wein ausschenkte. (…) Man trat in allerley Kleidungen auf. Einige erschienen wie Thiere, (…), andere stellten Teufel, andere Hexen, alle Narren vor, was sie auch wirklich waren.»

Thomas Fassbind, Schwyzer Pfarrer (1755 -1824)

Narrentanz

Bevor die Rott in ein Restaurant einkehrt, wenn sie wieder auf die Strasse zurückkehrt, beim Schaunüsslen und natürlich auch zwischendurch tanzen die Maschgraden zu den Trommeln der Tambouren den Narrentanz. Dieses Tanzen wird als Nüsslen bezeichnet. Wie alt der Narrentanz ist, kann nicht nachgewiesen werden. Schriftliche Quellen reichen bis in das späte 18. Jahrhundert zurück.  Dass an der Fasnacht in Schwyz getrommelt wird, ist seit Mitte des 16. Jahrhunderts belegt. Somit ist es möglich, dass im Alten Lande Schwyz auch schon vor dem 18. Jahrhundert getrommelt und genüsslet wurde.

Der Narrentanz wird vereinzelt auch mit heidnischen Bräuchen in Verbindung gebracht. Dafür gibt es aber keine wissenschaftliche Belege. Aus volkskundlicher Sicht ist eine Überlieferung über eine solch lange Zeitspanne nicht realistisch. Für den Zuger Autor Hans Koch war dies 1966 aber zweifelsfrei der Ursprung des Narrentanz: «Der Tanz selber erinnert an das Balzspiel des Birk- und Auerhahnes. Ihm liegt ohne Zweifel eine alte, frühzeitliche Kulthandlung zugrunde, Versuche des Menschen, sich die Götter der Fruchtbarkeit gnädig zu stimmen oder die bösartigen Winterdämonen aus dem Lande zu vertreiben.»

Zum Ursprung des Narrentanz gibt es viele – nicht belegte – Interpretationen. Als ziemlich sicher gilt hingegen, dass das Trommeln an der Fasnacht aus dem Militär übernommen wurde. Fasnachtskenner und Volkskundler Werner Röllin vermutet den Ursprung des Narrentanzes in den alten Landknechtstänzen, weil Spielleute und Tambouren schon immer zum Alten Schwyzer Kriegsvolk gehört hätten. Historikerin Martina Kälin-Gisler schreibt im Schwyzer Heft zum Innerschwyzer Nüsslerbrauchtum dazu: «Vermutlich entwickelte sich der heute getrommelte Rhythmus erst im Laufe des 19. Jahrhunderts aus verschiedenen Einflüssen wie Ordonnanzmärschen, Polka oder Schottisch. Auffällig ist die Nähe des Narrentanzes zu den damals beliebten Tänzen, so wurde um 1920 der Narrentanz teilweise durch den Schottisch ersetzt.»

Erstaunlicherweise wurde der Narrentanz bis vor 50 Jahren nur durch Vorzeigen und Nachspielen weitergegeben. Erst mit der Zeit folgten Schallplatten- und CD-Aufnahmen. 1959 schrieb Anton Kälin, Schwyz, erstmals den Rhythmus, die Trommelsprache und die Schrittabfolge des Nüsslens nieder. Der Narrentanz hat sich seit dieser Zeit nicht mehr verändert.

Das Nüsslen beziehungsweise der Narrentanz nach Brunner Art kann man sich nur schwer vorstellen. Ihn zu beschreiben, ist ebenso schwer. Grundsätzlich gilt zu sagen, dass sich die Maschgraden nach dem von den Tambouren getrommelten Rhythmus bewegen. Konkret hüpfen die Nüssler zu den eigenwilligen Betonungen der Tambouren mit Ausfallschritten von einem Fuss auf den anderen. In der Zeitung «Bote der Urschweiz» wurde das Nüsslen nach Brunner Art im Februar 1983 wie folgt beschrieben:

«Nüsslen nur auf den Fussspitzen, ohne je einmal mit den Absätzen den Boden zu berühren. Es sind zwei Teile zu tanzen: der erste Teil besteht aus Nüsslen an Ort, der zweite Teil besteht aus Drehen um die eigene Achse nach links oder rechts und muss genau mit der Trommel sofort exakt begonnen und beendet werden. Die Füsse sollen nicht zu hoch gehoben werden. Richtig ist leicht seitliches Ausscheren.»

Bote der Urschweiz

Figuren

Ein Maschgerad trägt schwarze Schuhe, weisse Handschuhe und natürlich ein Kostüm mit passender Maske. In Brunnen gibt es sechs traditionelle Figuren, wobei jede ihre eigene Geschichte, ihr typisches Kostüm und ihren unverkennbaren Charakter hat.