Traditionelle Figuren

Blätz

Keine andere Figur in der Region Schwyz verkörpert die Fasnacht stärker als der Blätz. In Brunnen ist er Haupt- und Symbolfigur der Nüsslergesellschaft. Der Blätz hat seine Wurzeln in Italien. Er geht wie zahlreiche andere schwäbisch-alemannische Fasnachtsfiguren auf die Harlekin-Figur, auf den Arlecchino der Commedia dell’arte, zurück. Wie und wann der Harlekin als Figur der lokalen Fasnachtsspiele zum Blätz der Strassen- und Beizenfasnacht wurde, ist nicht mehr genau zu eruieren.

Kostüm

Typisch für den Brunner Blätz ist sein aus Hose und Wams bestehendes Kostüm, welches mit hunderten roter und blauer, rauten- und rosettenförmigen sowie runden Filzstoffblätzchen bestückt ist. Dasselbe Muster ziert auch den Hut, an dessen Rand hängende weisse Stoffkugeln angebracht sind. Weitere markante Erkennungszeichen sind das weisse, rechteckige Stoffkopftuch, der Schellengurt und der Binsen- oder Buselbesen. Als Maske trägt der Blätz eine fleischfarbene Pariser-Wachslarve.

Charakter

Der Blätz ist der Spassmacher schlechthin, eine Art liebenswürdiger Anarchist. Der Blätz ist in der Rott die zentrale und wildeste Figur. Als Blätz hat man die Zuschauerinnen und Zuschauer am Strassenrand und in der Beiz stets zu unterhalten. Während die Rott unterwegs ist, sind der Blätz und sein Besen zudem immer in Bewegung. Er hüpft und springt, «gümpelt» und «tänzled», nüsslet und rennt. Dadurch bringt er seinen Schellengurt in rhythmisches Rasseln und den Brauchakteur oft ins Schwitzen.

Hudi

In der Figur des Hudis sind zwei Frauentypen vereint: Charakter und Name fanden ihre Vorlage im Alten Lande Schwyz, das Äussere in der Biedermeierzeit. Ein altes, nicht so vornehmes Weib wird – oder mittlerweile eher wurde – in der Region Schwyz Hudi genannt. Ein Hudi ist eine nicht unbedingt sympathische Weibsperson, welche durch ihre Schwatzhaftigkeit besticht.

Kostüm

Das Hudi trägt ein farbenfrohes Kleid, welches sich ab der Hüfte glockenartig in einen Reifrock weitet. Der Wahl der Farben sowie des (Blumen-)Musters des Kostüms sind kaum Grenzen gesetzt. Falls durch den oder die Kostümtragende nicht schon genügend vorhanden, werden Busen und Hintern noch mehr herausgehoben, oder wie man so schön im Dialekt sagt: «Härz und Füdli uusgschtopft.» Weiter gehören zum Hudi an die Unterschenkel weisse Stulpen und über die Schultern ein mit Stickereien und Spitzen verziertes weisses Tuch. Auf dem Kopf trägt es einen in Stoff eingefassten Strohhut im Biedermeierstil, welcher einen breiten Rand sowie eine charakteristische Erhöhung aufweist. Unverzichtbar sind Schirm und Korb, die wie der Hut auch in demselben Stoff wie das Kleid gehalten sind. Auch das Hudi trägt eine Bergamasker-Maske, die ein altes, nicht sonderlich attraktives und verlebtes «Wiib» darstellt. Dass das Hudi zudem vielfach eine brennende Brissago im Mund hat, unterstreicht diese Absicht.

Charakter

Das Hudi redet sehr gerne. Beim Intrigieren kommt es voll auf seine Kosten: Es wird kein Blatt vor den Mund genommen, an allen Ecken und Enden getratscht und wild gestikuliert. Das Hudi gilt in der Rott als die kontaktfreudigste und redseligste Figur. Sehr speziell ist zudem, dass diese Figur das Rustikale mit Eleganz paart, was sich auffallend in der Bewegung niederschlägt: Das Hudi ist zwar grob und laut, zugleich aber stolz und eitel.

Alter Herr

Der Alte Herr ist die älteste nachweisbare Fasnachtsfigur in der Rott. In einem Fasnachtspiel im Jahre 1829 hatte er als der «alte Mann» bereits einen Auftritt. Weitere historische Nachweise wie etwa Zeitungsinserate belegen sein Alter. Das Kostüm wurde in den Jahren 1881/82 im «Boten» zur Vermietung angeboten. Der Alte Herr ist eine äusserst elegante Erscheinung, eine noble, vornehme Figur der Rott. Im Alten Herren sieht man einen ausgedienten Aristokraten, wohl eine Parodie auf den Adelsstand, das Ancien Régime und die Barockzeit. Wie diese Figur nach Schwyz kam, ist unklar. Ob sie entstand, als Schwyz von der Armee Napoleons besetzt wurde oder ob in fremden Kriegsdiensten stehende Schwyzer die noble Bekleidung in Frankreich kennengelernt haben und in abgeänderter Form nachbildeten, ist Spekulation.

Kostüm

Der Alte Herr trägt halbhohe Schnallenschuhe, weisse Strümpfe und Kniehosen in feinem Samt, ein buntes Gilet mit weissem Jabot, ein Spitzenhemd, einen farbigen Junkerrock mit übergrossen Brokat-Zierknöpfen, eine weisse Rokoko-Perücke mit vorgetäuschtem Mozartzopf und einen federnverzierten Dreispitz. Falls der Brauchakteur nicht schon genügend Bauch aufweist, wird zusätzlich ein Theater-Bauch ausgestopft. Die Maske, ebenfalls eine Bergamaskerlarve, ist bräunlich-gelb gefärbt, mit einem markanten Schnauzbart versehen und weist einen eher gestrengen, leidenden Ausdruck auf.

Charakter

Der Alte Herr bewegt sich in der Rott gemächlich hinkend. Er geht jedoch in einem aufrechten Gang mit hohlem Kreuz und stützt sich auf einem knorrigen Naturholzstock ab. Seinem Jahrgang und seiner vornehmen Herkunft gemäss kehrt er gerne die Weisheit des Alters hervor. Oder besser gesagt, er spricht gerne und viel und scheut sich nicht, sein Gegenüber mit Behauptungen einzudecken. Da er oft in längere Gespräche am Strassenrand verwickelt ist und sonst schon nicht gut zu Fuss ist, hinkt der Alte Herr der Rott meistens hinten nach. Seine Gemächlichkeit verschwindet allerdings, wenn er den Stock unter den Arm klemmt und zu nüsslen beginnt.

Domino

Das Domino ist wie der Blätz italienischen vorab venezianischen Ursprungs. In der Region Schwyz wurde das Kostüm mindestens schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts häufig getragen, wie Inserate und Zeitungsberichte des «Boten der Urschweiz» aus dieser Zeit bestätigen. Wie die Domino-Figur in die Region Schwyz kam, ist hingegen unklar. Die Vermutung liegt nahe, dass sie – wohl wie der Blätz – von Händlern über die Alpen gebracht wurde. Im Italienischen heisst Domino «Herr» oder
«Geistlicher». In Italien und Spanien trugen die Kleriker früher als Regen- und Wintertracht einen Umhang mit Kapuze, welcher den ganzen Körper einhüllte. Bereits an mittelalterlichen Maskenbällen wurden mantelartige Kostüme mit weiten Ärmeln Domino genannt. Noch heute treten am Carnevale di Venezia Figuren in Erscheinung, denen das Brunner Domino sehr stark gleicht.

Kostüm

Das Domino trägt ein bis unter die Knie reichendes Samtkleid, weisse Stulpen und eine spitze, ausgestopfte Kapuze mit Schulterkragen. Das Kostüm, welches mehrheitlich in Blau, Grün oder Rot zu sehen ist, ist mit grossen farbigen Blättern verziert, die mit Gold- oder Silberlahn eingefasst sind. Als Accessoire dient dem Domino ein Holz-Tätscher, der bis zum Handgriff drei- bis vierfach eingesägt ist. In Brunnen sieht man an der Fasnacht zwei verschiedene Domino-Masken. Einerseits das zierliche, gelbliche oder bräunliche Mädchengesicht, welches auf der Maske aufgemalt eine schwarze Halbmaske trägt und andererseits die plump wirkende, rötliche «Lappi»-Maske mit einer grossen Knollennase. Beide Masken sind im Stile der Bergamasker-Larven gefertigt. Obwohl beide Masken geduldet werden, ist das schmale und feine Mädchengesicht die traditionelle Maske, erinnert die auf die Larve gemalte Halbmaske doch sehr stark an den venezianischen Karneval.

Charakter

Das Domino ist ein hinterhältiger Schleicher. Es schlägt sich mit dem Holz-Tätscher geräuschvoll auf die Schulter oder auf die Handfläche, nicht selten versetzt es auch einem Zuschauer einen Klaps und erschreckt diesen.

Zigeuner

Der Zigeuner ist eigentlich eine Zigeunerin und nimmt Bezug auf (wohl spanische) Fahrende früherer Jahrhunderte. Die Exotik, das Unbekannte und Mystische führte zu Nachahmungen an der Fasnacht.

Kostüm

Der Rock des Zigeuners ist meistens schwarz und mit zahlreichen farbigen Fransen verziert. Das Oberteil ist eine bunte, langärmlige Bluse, die farblich auf den Rock abgestimmt ist. Über die Schultern trägt der Zigeuner ein grosses, einfarbiges, Dreieckstuch, welches vorne auf der Brust mit einer Streichholzschachtel zusammengehalten wird. Der Kopfschmuck ist ein langes, schleierähnliches Kopftuch, welches an der Stirnseite mit goldenen oder silbernen Münzen, Sternen oder Monden verziert ist. An den Unterschenkeln trägt der Zigeuner zudem farbige Stulpen. Wie beim Hudi werden Busen und Hintern falls notwendig zusätzlich ausgestopft. Die Bergamasker-Larve des Zigeuners weist strenge, aber dennoch zufriedene und ruhige Züge auf. Im Grundton ist die Maske rotbraun. Markant sind die Hakennase, die weiss-rot-schwarzen Augen, die eckigen Backen, die roten Lippen, die breiten Nasenflügel und vor allem die an Kriegsbemalung erinnernde Verzierung.

Charakter

Der Zigeuner ist, wie man es anhand den gängigen Klischees vermuten würde, ein heissblütiger Maschgrad. Er verhält sich in der Rott sehr lebendig und leidenschaftlich und bringt so viel Leben in die Rott. Das wilde Herumspringen und -hüpfen unterstützt er unüberhörbar mit einem Holz-Tamburin in der Hand, dessen Metallplättchen einen hellen, gläsernen Ton erzeugen.

Bajass

Der Bajass, auch Bajazzo genannt, hat seine Wurzeln wie der Blätz und das Domino in Italien. Wie und wann die Figur Eingang in die Brunner Fasnacht gefunden hat, ist gänzlich unerforscht. Es ist jedoch gut möglich, dass die Figur ähnlich wie der Blätz und das Domino von Handelsreisenden von Italien in die Schweiz gebracht wurde. Der Bajass stammt vom Pagliaccio, auch einer Figur der italienischen Commedia dell’arte, ab.

Kostüm

Der Bajass trägt ein weites einteiliges Kleid mit Hosenbeinen und Ärmeln. Zum Bajass gehört weiter ein spitziger, trichterförmiger Hut. In der Mitte von Kostüm und Hut verläuft die Farbtrennung. Entlang dieser Trennung sind Pompons angebracht. Die Ärmel sind in der Farbe der gegenüberliegenden Körperseite gehalten. In Brunnen sind alle erdenklichen Farbkombinationen anzutreffen, auch wenn die Brunner Wappen-Farben rot-blau sehr beliebt sind. Um den Hals trägt der Bajass einen Tüllkragen. Die Maske ist ebenfalls im Bergamasker-Stil gefertigt, weiss grundiert und mit verschiedenen Farben verziert. Die freundlich dreinblickende Larve weist als markantestes Merkmal eine grosse Hakennase auf. Als Accessoire gehört eine Rätsche zum Bajass

Charakter

Durch bizarre Bewegungen und Fratzenschneidereien versuchte der Bajazzo in der Commedia dell’Arte das Publikum zum Lachen zu bringen. Ähnlich verhält sich der Brunner Bajass heute an der Rott: Er treibt seine Spässe mit den Zuschauern. Der Bajass ist ein lustiger Maschgrad, ein Spassmacher durch und durch, der zudem mit seiner Rätsche sehr gerne Krach macht.

Wilde Figuren

Nebst den traditionellen Kostümen sind in Brunnen auch wilde Figuren in der Rott anzutreffen, ja sogar erwünscht. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die am häufigsten Wilden Figuren sind als das Blätzmeitli (eine Brunner Eigenheit), das Bajassemeitli, der Clown, der Metzger, der Bauer, der Teufel, Tiere aller Art und viele mehr.